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Sieben typische Schwachstellen in der Produktentwicklung
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Eine Analyse der Schwachstellen in der Produktentwicklung europäischer Unternehmen macht deutlich, dass sich viele Fehlermuster stark ähneln und zwar weitgehend branchenunabhängig. Das größte Verbesserungspotential findet sich in den Bereichen Projektvorbereitung, Klärung der Zuständigkeiten, Kommunikation, Testkonzepte und Risiko-Management.

von Dr. Martin Paping, Kontrapunkt Technology, Konstanz                                       Artikel im pdf-Format  

Die folgende Situation ist in vielen Unternehmen bekannt: Ein neues Produkt soll entwickelt werden, das Projektteam startet mit viel Enthusiasmus, einem großzügigen Budget und vielen guten Ideen - doch die Monate gehen ins Land, Probleme tauchen aus dem Nichts auf und plötzlich rückt die bereits geplante Markteinführung in weite Ferne. Und so mancher Geschäftsführer fragt sich grübelnd, warum es seinem Team nicht gelingen will, ein neues Produkt in der vorgegebenen Zeit, zu einem bestimmten Preis und gemäß den Anforderungen auf den Markt zu bringen. Das Konstanzer Beratungsunternehmen Kontrapunkt Technology führt regelmäßig Projektaudits bei europäischen Mittelständlern durch und durchleuchtet den Produktentwicklungsprozess und die zugrundeliegende Organisation auf Schwachstellen. Die folgende Analyse basiert auf den Auswertungen von zehn Projekten, die innerhalb der letzten fünf Jahre untersucht wurden. Die auditierten Unternehmen sind in den Bereichen Telekommunikation, Elektrotechnik, Messtechnik, Vakuumtechnologie und Automatisierung tätig. Recht unabhängig von den einzelnen Branchen ergeben sich dabei einige typische Fehlermuster.

1   Prozesse ohne Bodenhaftung
Entweder es gibt gar keinen Prozess oder niemand hält sich dran

In allen Projekten, die im Rahmen dieser Studie untersucht wurden, finden sich auf den ersten Blick die notwendigen Bausteine eines Produktentwicklungsprozesses: Es gibt Projektphasen, Vorstudien, Meilensteine, Reviews, Abnahmen, Übergaben und Dokumentationen. Detailliert beschrieben in umfangreichen Handbüchern mit viel Text und bunten Grafiken, alljährlich aufpoliert für das nächste Qualitätsaudit. Eine tiefere Analyse, ergänzt durch eingehende Gespräche mit dem Projektteam, offenbart jedoch bei vielen Organisationen, dass weite Teile des Prozesses häufig nur noch als Selbstzweck dienen und ihren eigentlichen Nutzen verfehlen: nämlich der Effizienzsteigerung in der Produktentwicklung und der Minimierung der Projektrisiken. Stattdessen vergeudet der Projektleiter häufig wertvolle Zeit durch das Verfassen ungelesener Projektberichte, die Abarbeitung wirkungsloser Checklisten und die Erstellung von nutzlosem Zahlenwerk. Fatal ist dabei, dass diese Situation nicht weiter auffällt, solange ein Projekt einigermaßen gut verläuft. Gerät ein Team jedoch in schwieriges Fahrwasser, etwa bei riskanten Neuentwicklungen unter Anwendung unbekannter Technologien oder Konzepte, wird es kritisch. Gerade bei diesen Projekten muss ein Prozess helfen, Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren und das Projekt durch Anwendung bewährter Methoden schnell abzuschließen.
Fazit   Bestehende Prozesse von Zeit zu Zeit gründlich zu entstauben, fördert die Motivation des Teams und steigert die Projekteffizienz eines Unternehmens. Grundlage der Prozessverbesserung ist die kritische Analyse zurückliegender und aktueller Projekte. Dabei ist es wichtig, alle beteiligten Mitarbeiter ins Boot zu holen und die Ausgestaltung der Prozesse nicht allein der Geschäftsführung, dem Qualitäts-Manager oder dem externen Berater zu überlassen.

2   Überhasteter Projektstart
Viele Projekte sind schlecht vorbereitet und unklar in der Zielsetzung

Termindruck und Ressourcenknappheit führen oft dazu, dass gerade wichtige Projekte bereits vom Start weg ins Hintertreffen geraten. Ist das grobe Projektziel noch einigermaßen klar vor Augen, fehlt oft die detaillierte Dokumentation der genauen Anforderungen, paradoxerweise meist angetrieben vom Willen, schnell zu liefern. Und so findet sich manches Projektteam in kurzer Zeit mitten in der Detailentwicklung wieder und dreht bereits die ersten Schleifen zur Verbesserung von Fehlern, wo der Aufwand sinnvoller in eine gründliche Analyse der Anforderungen und sorgfältige Machbarkeitsstudien investiert gewesen wäre. Überlagert wird diese Situation oft durch die blauäugige Annahme, ein komplexes Projekt von Anfang bis zum Ende planen zu können: Getrieben von unrealistischen Eckdaten wird der Projektplan zusammengezimmert, oft wider besseres Wissen und Bauchgefühl. Das magische Dreieck aus Kosten, Qualität und Lieferzeitpunkt wird strapaziert ohne Ende - das böse Erwachen erfolgt meist erst am Schluss und dann wird es richtig teuer.
Fazit   Die meisten Fehler im Projekt entstehen zu Beginn, deshalb ist die gründliche Vorbereitung unter Einbeziehung aller Projektbeteiligten essentiell. Dabei müssen auch Vorbehalte und abweichende Ansichten berücksichtigt werden. Oft ist es sinnvoll, auf eine detaillierte Gesamtplanung des Projektes bewusst zu verzichten, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Erst wenn das Team die Komplexität der Anforderungen realistisch einschätzen kann, können verpflichtende Zusagen gemacht werden.

3   Unklare Zuständigkeiten
Die Überlappung von Verantwortlichkeiten und unklar definierte Rollen
fördern Ineffizienz und Frustration im Team

Wie kann jedes Projekt in kurzer Zeit erfolgreich zum Scheitern gebracht werden? Durch die Vermischung der Zuständigkeiten von Schlüsselpersonen, die Vergabe gleicher Arbeitsaufträge an verschiedene Mitarbeiter und die direkte Intervention der Geschäftsleitung ins Tagesgeschäft des Projektleiters. Diese oder ähnliche Praktiken wurden in fast allen untersuchten Projekten mehrfach beobachtet. Wie eingehende Analysen gezeigt haben, ist in den meisten Fällen kein böser Wille im Spiel, die Ursachen liegen vielmehr in der unzureichenden Projektaufsicht: falsch verstandenes Risiko-Management ("doppelt hält besser"), veraltete Organisations- und Hierarchiestrukturen, mangelnde Sensibilität oder einfach Bequemlichkeit. Sind alle Rollen und Aufgaben jedoch klar verteilt, hat sich das Konzept des "runden Tisches" bewährt, der Kommunikations- und Planungsplattform aller Fachbereiche unter Leitung des Projektleiters. Hier wird die tägliche Projektarbeit koordiniert, werden Informationen ausgetauscht, Konflikte ausgetragen und Risiken abgeschätzt.
Fazit   In jedem Projekt müssen die grundlegenden Zuständigkeiten klar geregelt und allen Beteiligten bekannt sein. Das beginnt mit der Benennung des Auftraggebers und der offiziellen Einsetzung der Projektleitung und setzt sich fort mit der Zuweisung aller relevanten Projektbereiche: Markt, Technologie, Qualität, Einkauf und Fertigung. Abhängig von der Art des Projektes wird der runde Tisch je nach Bedarf und Effizienz mit Vertretern weiterer Funktionen besetzt, wie etwa Personal, Patente, Vertrieb und Service. Den runden Tisch optimal zu gestalten gehört zu den Schlüsselaufgaben zu Beginn des Projektes.

4   Unzureichende Kommunikation
Selbst Schlüsselpersonen fühlen sich in wesentlichen Fragen
des Projektalltags oft unzureichend informiert

Im Gespräch mit dem Team, dem Auftraggeber und dem Umfeld eines Projektes zieht sich dieser Punkt wie ein roter Faden durch das Minenfeld einer 360°-Analyse: die mangelhafte Kommunikation innerhalb und außerhalb des Projekts. Trotz ungezählter E-Mails, endloser Sitzungen und langer Berichte fühlen sich viele Teammitglieder oft schlecht informiert oder unzureichend in die Planung eingebunden. Das betrifft in erster Linie die konkret anstehende Arbeit: Was ist die Zielsetzung, wer arbeitet an welchem Thema, und welche kritischen Abhängigkeiten gibt es zwischen den einzelnen Aufgaben? Nicht nur für neu hinzukommende Projektbeteiligte ist aber auch die Dokumentation der Historie eines Projektes relevant: Dort sind die Ergebnisse zurückliegender Arbeitsphasen einsehbar, insbesondere im Hinblick auf Ansätze, die in der Sackgasse gelandet sind und nicht weiterverfolgt wurden. Und schließlich der Blick nach vorn: In welcher Weise werden Unstimmigkeiten diskutiert, die nächsten Schritte geplant und Meilensteine visualisiert? Gerade mit zunehmender Teamgröße ist die ausgewogene Kommunikation zwischen allen Beteiligten Schwerstarbeit.
Fazit   Die konzeptionelle Vorbereitung eines Projektes darf nicht allein planerische oder technische Gebiete abdecken. Ein klares Kommunikations- und Dokumentationskonzept ist unabdingbar für den Projekterfolg. Gerade für größere Teams, die im Gebäude verstreut sind, hat sich deshalb die Einrichtung eines dedizierten Projektraums ausgezahlt. Statt herkömmliche Sitzungen in wechselnden Sitzungsräumen abzuhalten, wird ein Raum fest für das Projekt zur Verfügung gestellt und nach dessen Bedürfnissen eingerichtet. Ausgestattet mit Whiteboards, Flipcharts und kartonierten Wänden dient dieser Raum zur Visualisierung, zur Anregung und auch zur Förderung des Widerspruchs. Sitzungen werden im Stehen abgehalten, Stifte, Schere und Papier liegen bereit, um die nächste Idee zu dokumentieren. Die wichtigen Informationen über das Projekt liegen nicht in Bits und Bytes versteckt auf der Festplatte, sondern offenbaren sich dem Eintretenden ganz von selbst.

5   Unvollständige Testkonzepte
In den seltensten Fällen werden die Projektergebnisse konsequent
gegen die Projektziele abgeglichen und getestet

Zwei grundlegende Bausteine im Produktentwicklungsprozess wurden bereits erwähnt: die sorgfältige Spezifizierung der Anforderungen zu Beginn eines Projektes und die Segmentierung der Phasen während der Umsetzung. Sträflich vernachlässigt wird oft der dritte Baustein: die kontinuierliche Überprüfung der Projektergebnisse gegen die Projektziele. Dabei werden drei Verhaltensmuster beobachtet: 1. Es wird gar nicht oder kaum getestet, oft aus vermeintlichem Zeitmangel oder wegen fehlender Ressourcen. 2. Die Tests werden lediglich vom Entwickler selbst durchgeführt, meist widerwillig, denn schließlich wurde ja sorgfältig gearbeitet und das nächste Aufgabenpaket wartet bereits. 3. Es gibt zwar eine umfangreiche Testphase, aber erst ganz am Ende des Projekts nach der Systemintegration. Fehler zu korrigieren, die erst so spät aufgedeckt werden, ist ein extrem teures Unterfangen. Die Konsequenzen eines mangelhaften Validierungskonzeptes sind andauernde Probleme mit der Produktqualität, wiederholte Projektverzögerungen und steigende Projektkosten.
Fazit   Abhilfe schafft hier ein organisatorisch unabhängiges Qualifizierungsteam, welches die gelieferten Module kritisch, unbefangen und kontinuierlich am Ende der einzelnen Etappen gegen die Anforderungen der Spezifikation testet. Dann gilt: Bei Nichtgefallen zurück an den Absender. Dieser Prozessschritt kostet Zeit, Geld und Ressourcen und wird deshalb gern vernachlässigt. In den meisten Projekten, insbesondere wenn Neuland betreten wird, rächt sich dieser Geiz spätestens bei der Systemintegration oder, noch schlimmer: beim Kunden.

6   Schlechtes Risiko-Management
Reagiert wird erst, wenn es zu spät ist

Die sorgfältige Analyse von Projektrisiken und die kreative Auseinandersetzung mit möglichen Vermeidungs- und Linderungsszenarien gehört zu den Stiefkindern im Projektmanagement vieler Unternehmen. Das beginnt damit, dass in den meisten Projekten kein Unterschied gemacht wird zwischen konkreten Problemen (die bereits eingetreten sind) und Risiken (die lediglich die Möglichkeit eines Problems in der Zukunft beschreiben). Außerdem wurde in den meisten Projektführungsgremien, die in der Studie untersucht wurden, das Thema "Risk & Issues" eher unter ferner liefen abgehandelt. Offensichtlich wird das proaktive Risikomanagement für viele Führungskräfte als eine lästige Pflicht wahrgenommen: Die Einzelheiten will niemand hören, das Nachbohren in Eventualitäten wird als Zeitverschwendung abgetan, der Fokus des Interesses liegt auf den positiven Nachrichten. Auf technischer Ebene gehört die regelmäßige Durchführung von FMEA-Workshops zum erfolgreichen Projekt-Management. Die "Failure Mode and Effects Analysis" untersucht systematisch mögliche Schwachstellen im Produkt, beschreibt ihre Auswirkungen und mögliche Alternativen und trägt somit viel dazu bei, die Qualität des zu entwickelnden Produktes zu erhöhen. FMEA-Workshops sind zwar aufwendig, aber meistens eine gute Haftpflichtversicherung gegen ein mangelhaftes Produkt.
Fazit   Konkrete Probleme im Projekt entstehen erst dadurch, dass das aktive Risikomanagement vernachlässigt wird. Die Analyse und Vermeidung von Risiken kostet Aufwand, Zeit und Geld, macht sich aber in den allermeisten Fällen bezahlt. Sehr viel einfacher zu organisieren, aber ebenso effektiv sind übrigens regelmäßige Lessons-Learned-Workshops im Projekt. Die Analyse des Kernteams, wo im Projekt Verbesserungsbedarf besteht, erhöht die Qualität und fördert die Projektkultur. Einige Teams der untersuchten Unternehmen führen alle zwei Wochen kurze Lessons-Learned-Workshops durch. Die Sessions dauern nicht länger als 15 Minuten und tragen viel dazu bei, dass sich Probleme erst gar nicht aufstauen.

7   Projektaufsicht mit Tunnelblick
Viele Schwierigkeiten im Projekt werden durch ein unprofessionelles
Projektführungsgremium verstärkt

Viele der bisher diskutierten Schwachstellen in der Produktentwicklung betreffen die Arbeit im Projekt selbst und sind vom Projektleiter und seinem Team weitgehend steuerbar. Es gibt aber eine weitere Ebene, die für das Gelingen eines Projektes essentiell ist, nämlich die Projektaufsicht. Das Projektführungsgremium hat drei primäre Aufgaben: kontrollieren, unterstützen und entscheiden. In den untersuchten Organisationen wurden einige typische Problemfelder innerhalb der Projektaufsicht identifiziert, die dem Projektleiter und seinem Team das Leben schwer machen. Da ist zunächst die mangelnde Fähigkeit von Unternehmen, ihr Projekt-Portfolio zu steuern. Jedes Projekt für sich mag schon kompliziert genug sein, aber die wahren Herausforderungen lauern dort, wo viele Projekte nebeneinander laufen und sich zum Teil gegenseitig beeinflussen: durch Zugriff auf gemeinsame Ressourcen, durch Abhängigkeiten hinsichtlich ihrer Ergebnisse oder durch konkurrierende Projektziele. Die Unart vieler Führungsgremien, im Review jedes Projekt einzeln zu behandeln und isolierte Entscheidungen zu treffen, ist zwar die einfachste Methode, kann aber mittelfristig zu Konflikten und zermürbenden Endlosschleifen führen. Eng verknüpft mit dieser Praxis ist das zweite Problemfeld, das wieder einmal die Zuständigkeit betrifft: Vielerorts wird das Projektportfolio nicht von einem einzigen Gremium gesteuert, sondern von mehreren, oftmals auf unterschiedlicher hierarchischer Ebene. In verschiedenen Sitzungen mit wechselndem Personenkreis, regelmäßig oder ad hoc einberufen, wird über ein und dasselbe Projekt entschieden. Oft gut gemeint, aber fatal für die Arbeit und die Motivation des Projektleiters. Das dritte Problemfeld betrifft die Art und Weise, wie ein Review durchgeführt wird. Schon manch ein verantwortlicher Manager hat sich durch das Powerpoint-Blendwerk des Projektleiters verwirren lassen. Vor lauter Zahlen, Grafiken und guten Nachrichten fehlt oft der kritische Blick und der Fokus auf wunde Punkte.
Fazit   Die goldene Regel für eine gute Projektaufsicht ist einfach: Ein einziges Gremium mit festem Teilnehmerkreis begutachtet in regelmäßigen Sitzungen alle Projekte und folgt dabei einem standardisierten Ablauf, sodass alle wichtigen Indikatoren vergleichend behandelt werden können: Projektziel, Status, Kosten, Zeitplan, Qualität, Meilensteine, Risiken. Zusammenhängende Projekte werden vorab als solche identifiziert und wenn möglich auch gemeinsam begutachtet. Die Sitzungen der Projektaufsicht werden vom Qualitätsmanagement begleitet und sorgfältig dokumentiert.

Die gute Nachricht zum Schluss: Die Aufdeckung von Schwachstellen in einem Unternehmen geht meist einher mit viel Verbesserungspotential. Dabei ist die Analyse vieler Defizite oft weder für das Team noch für die Geschäftsleitung wirklich überraschend. Mancher wunde Punkt ist unterschwellig meist bekannt, die offene Diskussion wirkt oft befreiend und - die Lösungen werden in fast allen Fällen vom Team selbst ausformuliert und anschließend höchst motiviert umgesetzt. Hilfreich ist dabei die Begleitung durch einen externen Coach, der analysiert, nachfragt, vermittelt und durch den Vergleich zu anderen Unternehmen Hinweise auf bewährte Praktiken und Lösungspfade gibt.